«Wir stellen den Menschen in den Vordergrund»

    Das KMU-Nachfolgezentrum findet Nachfolgelösungen für KMUs

    Die Nachfolge in der eigenen Firma regeln heisst, sich mit seiner eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen – aber auch mit den Ansprüchen und Interessen von möglichen Nachfolgern. Nicht zuletzt aus diesen Gründen ist dieses Thema mit einem Tabu belegt und wird «auf später» verschoben. Auch Berührungsängste mit Anwälten und Treuhändern können eine Rolle spielen. Seit zehn Jahren erhebt das KMU-Nachfolgezentrum in Bern und Schwyz den Anspruch, wirtschaftlich, pragmatisch und lösungsorientiert neue Besitzer für KMUs zu finden. Karl Zimmermann, zusammen mit Andy Weber, Gründer und Leiter des KMU-Nachfolgezentrums, ist seit 33 Jahren mit der WIR-Verrechnung vertraut und weiss den WIR-Aspekt in die Verhandlungen einzubauen.

    (Bilder: Andreas Frutig / © WIR Bank) Das KMU-Nachfolgezentrum wird von Karl Zimmermann (Bern) und Andy Weber (Schwyz) geleitet.

    In den nächsten fünf bis zehn Jahren stehen in der Schweiz nicht weniger als 70’000 KMUs vor der Firmenübergabe. Obwohl 90 Prozent der Unternehmerinnen und Unternehmer eine familieninterne Nachfolgelösung anstreben, werden nur 40 Prozent der Firmen an ein Familienmitglied übergeben (Quelle: FHS St. Gallen, KMU-Spiegel 2015). Familieninterne Lösungen brauchen aber nicht weniger schwierig und zeitintensiv zu sein als die Übergabe an Externe (ebenfalls 40 Prozent der Fälle) oder an Mitarbeitende (20 Prozent). Karl Zimmermann und Andy Weber vom KMU-Nachfolgezentrum in Bern und Schwyz haben ein fehlendes Stück in der Beratung beispielsweise durch Banken oder Anwälte erkannt: die kommunikativ-emotionale Komponente: Wann soll man mit wem und auf welche Weise das heikle Thema Nachfolge besprechen – zum Beispiel wenn der Sohn die Firma übernehmen möchte, die Tochter in den Augen des Vaters aber geeigneter ist?

    Wer ist Ihr typischer Kunde?
    Karl Zimmermann: Unsere Kunden sind Gewerbebetriebe, also KMUs mit bis zu etwa 50 Beschäftigten. Das hat mit meinem Hintergrund zu tun: Ich habe selbst während 25 Jahren ein KMU geführt, bin Handwerker und Unternehmer und befinde mich auf demselben Level wie unsere Kunden. Das ist wichtig für die Glaubwürdigkeit.

    Andy Weber: Es gibt einen weiteren Aspekt: Zu uns kommt, wer Geld sparen will und mit einem WIR-Anteil bezahlen möchte. Im Gegensatz zu unserer Konkurrenz stellen wir den Menschen in den Vordergrund. Ausserdem arbeiten wir nach Aufwand und nicht nur auf Erfolgsbasis. Ein Erfolgsversprechen geben wir aber trotzdem: Wir garantieren, innerhalb einer gesetzten Frist von zum Beispiel zwei Jahren einen Nachfolger zu finden oder eine andere Lösung zu präsentieren: Eine gute Liquidation kann besser sein als eine schlechte Nachfolge.

    Auch Banken bieten Nachfolgeregelungen an…
    Zimmermann: Ich glaube nicht, dass Banken über unsere Kompetenzen verfügen. Nachfolgeabklärungen und -verhandlungen werden von den eigenen Wertvorstellungen und denjenigen des betroffenen Unternehmens geprägt. Bankmitarbeiter fokussieren sich auf die Finanzfragen. Ausserdem kommt es schnell zu Interessenkonflikten: Eine Bank ist beispielsweise versucht, einen Ausfall der Hypothek zu vermeiden. Dann gibt sie sich vielleicht schon mit einem Kaufpreis von, sagen wir, 1,4 Millionen Franken zufrieden, obwohl 1,6 Millionen realistisch wären. Unsere Meinung ist: Der Unternehmer hat sich einen angemessenen dritten Lebensabschnitt verdient und soll für seine Firma einen anständigen Preis erhalten. Auch ein Treuhänder ist übrigens nicht immer neutral. Womöglich hat er 30 Jahre lang die Firma des Seniors begleitet und hat Mühe, sich in den Nachfolger hineinzudenken, der die Firma übernehmen möchte. Wir sind neutral und haben keine Interessenkonflikte.

    Was spricht dagegen, selbst nach einem Nachfolger zu suchen?
    Zimmermann: Grundsätzlich natürlich nichts. Häufig ist der Firmeninhaber aber nicht beim ersten Anlauf erfolgreich. Dann geht das Tagesgeschäft wieder vor, und schnell sind ein paar Jahre vergangen. Dann pressiert es plötzlich. Unsere Lösungen kosten weniger Geld, Zeit und Nerven.

    Welchen Anteil machen die Fälle aus, wo’s pressiert?
    Weber: Etwa 30 Prozent der Fälle sind akut: Der Firmeninhaber hat ein Burn-out, liegt im Spital oder ist plötzlich gestorben. Dann ruft uns die Frau oder der Sohn an und fragt: «Heit dr öpper?»

    Wie und wo finden Sie potenzielle Übernehmer einer Firma?
    Weber: Häufig glaubt man uns nicht, dass wir einen Käufer fin-den … Doch wir wissen dank unseres grossen Beziehungsnetzes und unserer sehr gut dotierten Datei, wo erfolgversprechende Kandidaten sind. Es ist aber auch eine Fleiss- und Knochenarbeit. Im Fall der JN Stickereien & Textildruck GmbH haben wir 80 Firmen angeschrieben, 32 waren interessiert!

    Wie vermeiden Sie, dass sich Verkaufsabsichten herumsprechen?
    Weber: Wenn wir Firmen anschreiben – natürlich auch, wenn wir Inserate schalten –, ist absolute Vertraulichkeit oberstes Gebot. Niemand erfährt in dieser Phase, um welche Firma es sich handelt. Das Profil der Firma ist anonym, sodass keine Rückschlüsse auf unseren Auftraggeber möglich sind.

    Wie filtern Sie die erfolgversprechendsten Kandidaten aus den Interessenten heraus?
    Zimmermann: Die wenigen Besten herauszufiltern, kostet in der Tat einige Energie. Um die interessierten Unternehmen zu qualifizieren, werden sie besucht, und es werden strukturierte Interviews geführt.

    Ein Konzentrat der erfolgversprechendsten Interviews erhält der Verkäufer der Firma zur Beurteilung. Wenn nur noch eine Handvoll Kandidaten im Rennen sind, kommt es zu einem Erstgespräch zwischen dem Verkäufer und je einem Interessenten. Erst zu diesem Zeitpunkt erfahren beide Seiten die Identität des Verkäufers und des entsprechenden Interessenten.

    Was ist der Zweck des ersten Gesprächs?
    Weber: Es geht darum, herauszufinden, ob die Chemie stimmt. Eine wichtige Aufgabe von uns ist es auch, die Emotionen herunterzubringen. Man darf nicht vergessen: Der Verkäufer übergibt sein Lebenswerk, eigentlich sein Leben! Er fragt sich: «Die übernehmen jetzt das, was ich jahrzehntelang aufgebaut habe!?» In diesem Gespräch lassen wir alles, was mit Zahlen zu tun hat, noch weg. Erst denjenigen, die es in die zweite Verhandlungsrunde schaffen, werden die Kennzahlen der zu übergebenden Firma offengelegt. Die Interessenten ihrerseits müssen nun einen Business- und einen Finanzierungsplan vorlegen.

    Erinnern Sie sich an Ihre schnellste Nachfolgeregelung?
    Zimmermann: Ja, sie dauerte drei Monate. Die Regel ist aber ein Jahr oder anderthalb Jahre.

    Gibt es Branchen, die schwerer vermittelbar sind als andere?
    Zimmermann: Das würde ich nicht sagen. Aber es gibt Fälle, die wir ablehnen. Wenn der Firmeninhaber über 70 Jahre alt ist und die Angestellten auch nicht viel jünger sind, wird es schwierig. Einer solchen Firma fehlt es dann häufig an Substanz. Gelegentlich täuscht aber der erste Eindruck. Eine Elektrikerfirma mit drei Serviceleuten, einem Materiallager in einer Garage und dem Büro beim Besitzer zu Hause stuften wir zuerst als eher schwierig ein, aber der Kundenkreis war hervorragend und erlaubte eine gute Lösung.

    Die erste Hürde klären wir branchenunabhängig schon ganz zu Beginn unserer Arbeit ab: Wir fragen den Unternehmer, an wen er die Firma auf keinen Fall übergeben will. «Sicher nicht an einen Konkurrenten im Umkreis von 20 Kilometern» lautet dann die häufigste Antwort. Was nicht ausschliesst, dass am Schluss dann doch der Konkurrent aus demselben Dorf die Firma übernimmt …

    Wie wird der Wert einer Firma ermittelt?
    Zimmermann: Die verschiedenen Unternehmerverbände bieten Tools und Beratungen zur Betriebsbewertung an. Dank unserer Erfahrung können wir beurteilen, welcher Preis am Markt gelöst werden kann. Besonders nahe liegen mir die Bau- und die Mechanikbranche, da ich selbst in diesen Branchen gross geworden bin und sie bestens kenne.

    Welche Herausforderungen stellen sich, wenn die Käuferschaft aus der eigenen Familie stammt?
    Weber: In der Regel sind in der Familie schon Gespräche geführt worden. Problematisch kann sein, dass solche Unterhaltungen am Mittagstisch oder unter dem Weihnachtsbaum, unverbindlich, wenig strukturiert und ohne Protokoll stattfinden. Wenn es dann ums Eingemachte geht, brechen Konflikte wieder auf oder es stellt sich heraus, dass zum Beispiel der Sohn nur Bereitschaft zur Nachfolge signalisierte, um die Eltern nicht zu enttäuschen. Da kommen Emotionen hoch … es können sehr anspruchsvolle Situationen entstehen.

    Wie meistern Sie solche Situationen?
    Zimmermann: Dank unserer Schulung in Mediationstechnik und Generationencoaching – und mit klaren Regeln: Ich bin der Chef, alle dürfen ausreden, alles ist vertraulich und jeder darf ein Time-out nehmen. Diese Gespräche führen wir auf neutralem Boden durch, zum Beispiel am Sitz des KMU-Nachfolgezentrums in Bern oder Schwyz. Diese erste Zusammenkunft steht bewusst unter dem Motto Zukunftswerkstatt, um dem eigentlichen Thema – dem Weitergeben der Firma – die Schwere zu nehmen. Hier werden Interessen definiert, Chancen und Ideen skizziert, Risiken abgewogen. Die Flipcharts werden in einem Fotoprotokoll festgehalten. Zusätzlich entsteht ein Entscheidungsprotokoll mit einer To-do-Liste. So kommt der weitere Prozess ins Rollen. Dank diesem Vorgehen entsteht ein positives Erlebnis. Die Gespräche laufen strukturiert und in Ruhe ab. Es braucht ja auch Zeit und einen klaren Rahmen, um derart wichtige Themen zu besprechen.

    Haben Sie auch nach der Firmenübergabe Kontakt zu den neuen Inhabern?
    Zimmermann: Das ist unterschiedlich. Es gibt Fälle, da ist mit der abgeschlossenen Übergabe alles erledigt. In anderen Fällen bleibe ich sporadischer Ansprechpartner, einfach weil das Vertrauen da ist. Oft wird der Kontakt zu uns wieder gesucht, wenn nach einigen Jahren eine neue Standortbestimmung nötig wird. Und in einem Fall bin ich als Sparringspartner im Verwaltungsrat der Firma.

    Was ändert sich für den Verkäufer?
    Zimmermann: Er muss aufpassen, dass er nicht in ein Loch fällt. Als Unternehmer wird man immer wieder zu Events eingeladen oder auf die Firma angesprochen. Nach der Übergabe ist das nicht mehr der Fall, die Position in der Gesellschaft geht teilweise verloren. Nicht mal die Dorfvereine melden sich noch mit Sponsorenanfragen. Und auf die Firma wird man höchstens noch angesprochen, wenn der Nachfolger eine unglückliche Hand hat.

    Ihr Tipp an unsere Leser?
    Weber: Packen Sie das Thema Nachfolge gleich nach dem 55. Geburtstag an – nehmen Sie sich Zeit für eine Standortbestimmung mit einer Perspektive von zehn Jahren.

    Interview: Daniel Flury


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